12. Januar 2024
Anwendungen

Wo die Sicherheit zum Zuge kommt

Das Fachmagazin Technik und Wissen berichtet in seiner Ausgabe 25/2023 über GIS-Krananlagen, die im Servicezentrum der SBB in Basel im Einsatz sind. Der Artikel wurde von Markus Back in Zusammenarbeit mit der SIGMATEK Schweiz AG, einem führenden Anbieter von kompletten Automatisierungslösungen, und dem Kranbauer GIS AG verfasst.
Bei Arbeiten auf dem Zugdach können die Mitarbeitenden mit einer Absturzsicherungen gesichert werden.

Die SBB stellt hinsichtlich Arbeitssicherheit extrem hohe Anforderungen, weshalb sie nur Betriebsmittel ausgewählter Hersteller einsetzt. Ein solcher ist die Firma GIS aus dem Kanton Luzern. Um die Gefahr für das Servicepersonal zu reduzieren, setzt dieser in seinen Krananlagen unter anderem auf Sicherheitstechnik von Sigmatek.

Bei der Arbeit mit schwerem Gerät sind die Gefahren vielseitig. Eines der grössten Risiken sind in den Serviceanlagen der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) die Fahrleitungen, an denen 15 kV Spannung anliegen. Aus sicherheitstechnischer Perspektive bedeutet das unter anderem, dass sich die Krananlagen in einer sicheren Position befinden müssen, damit diese nicht versehentlich mit den Fahrleitungen in Kontakt geraten können. «Das verhindern wir mit einer definierten Grundstellungsposition», sagt Samuel Kurmann von der Firma GIS und erklärt diese so: «Der Kran, dessen Laufkatze sowie der Haken ohne Last müssen sich in einer festgelegten Parkposition befinden, erst dann ist eine Freigabe der Fahrleitung möglich.»

Wer aufmerksam durch die Serviceanlage Personenverkehr der SBB in Basel geht, erkennt diese Abhängigkeit beziehungsweise das von Projektleiter Samuel Kurmann beschriebene Zusammenspiel. Ersichtlich wird das an einer LED-Lichterkette, die parallel zu den Fahrleitungen verläuft und den Mitarbeitenden auf einen Blick den Spannungspegel signalisiert. Leuchten die Lämpchen orange, liegen 15 kV Spannung an und der Kran lässt sich nicht aus seiner Parkposition verfahren. Erst wenn die Fahrleitungsidentikation grün schimmert, wie die Signalisation offiziell heisst, lässt sich dieser bewegen.

Wartungsarbeiten auf dem Zugdach

Die Umsetzung dieser Funktion zählt steuerungstechnisch eher zu den einfacheren Aufgaben. Doch mit dieser alleine ist es in diesem Falle nicht getan, um ungefährdet arbeiten zu können. «Es gibt sehr viele sicherheitstechnische Aspekte, die beim Bau solcher Anlagen zu beachten sind und die nicht jeder Kranbauer bietet», sagt Andreas Baumgartner von der SBB in Basel. Als Beispiele nennt der Verantwortliche für die Beschaffung von Betriebsmitteln unter anderem Erdungsvorschriften, vorzuhaltende Abschaltvorrichtungen sowie Schutzmassnahmen zum Vermeiden von Kollisionen.

Treibende Kraft für das sichere Arbeiten ist dabei nicht nur die SBB als Arbeitgeber, sondern ebenfalls die Suva. Die Schweizerische Unfallversicherung legt auf diese ein besonderes Augenmerk und kann wie Sicherheitsbeauftragte notfalls Krananlagen, die nicht sicher betrieben werden können, still legen lassen. Ein Grund, der zu einer (vorübergehenden) Stilllegung führen könnte, sind die Absturzsicherungen, in die sich die Mitarbeitenden einhängen, wenn sie auf den Personenzügen arbeiten. In diesem Falle muss garantiert sein, dass sich die Halteleinen nicht im Kran verfangen können oder das Servicepersonal durch den vorbeifahrenden Kran vom Zuge gefegt wird.

Der Aufbau der eingesetzten Infrastruktur für ein angenehmeres Reiseklima ist übrigens der Anlass, wieso überhaupt auf den Personenzügen gearbeitet werden muss. Damit Reisende diese barrierefrei nutzen können, sind grössere Systeme und Komponenten, wie zum Beispiel Kompressoren oder Klimaanlagen, auf dem Dach verbaut. Wären diese unter dem Zuge installiert, wäre ein ebenerdiges Ein- und Aussteigen am Perron nicht möglich.

Kran detektiert Absturzsicherungen

Während die Steuerung des Freigabeprozesses der Krananlage zu den einfacheren Dingen gehört, ist das sichere Erkennen der Absturzvorrichtungen da schon deutlich anspruchsvoller. Für deren sichere Detektion sind in der Kranbrücke Sicherheitslaser-Scanner verbaut, die vor und hinter dem Kran Sicherheitsflächen projizieren, die sich in mehrere Segmente unterteilen. Setzt nun jemand den Kran in Bewegung, erfasst der Laser die Fläche vor sich und verlangsamt automatisch seine Fahrt, sobald eine Absturzsicherung in sein Sichtfeld gelangt.

Sollte der Mitarbeitende mit der Fernbedienung nicht realisieren, dass der Kran die Fahrt verlangsamt hat und weiter die Betätigung drücken, leitet dieser eigenständig einen Not-Stopp ein. Zusätzliche Drahtseile an der Kranbrücke als mechanische Begrenzung verhindern, dass die Absturzsicherung hinter das Sichtfeld des Sicherheitslaser-Scanners gelangen könnte.

Lieferfähigkeit und Steuerungsaufbau überzeugen

Speziell bei dieser Applikation sind nicht nur die sehr hohen Sicherheitsanforderungen, sondern die Zusammenarbeit des Kranherstellers mit Sigmatek. Als GIS den Projektzuschlag erhielt, zeichnete sich schon ab, dass sein Steuerungslieferant sehr wahrscheinlich nicht lieferfähig sein würde. «Für uns war aber die Lieferfähigkeit entscheidend, da wir ansonsten das Projekt verloren hätten», so Samuel Kurmann. Bei der Suche nach Alternativen stiess er auf die Firma Sigmatek, die nicht nur zuverlässig liefern konnte, sondern deren Steuerung S-Dias Safety (SIL 3, Performance-Level e, Kategorie 4) ähnlich wie die des bisherigen Lieferanten aufgebaut ist. Für den Projektverantwortlichen war das ein klarer Vorteil, da er viele Aufgabenstellungen praktisch eins-zu-eins übernehmen und zudem seine gewohnte Struktur beibehalten konnte.

Die Steuerungstopologie selbst besteht dabei aus zwei S-Dias-Stationen. Die eine befindet sich an der Wand in der Revisionswerkstatt und die andere direkt auf dem Kran. Beide Steuerungen beinhalten sowohl Safety- als auch Non-Safety-Module und sind mittels Ethernet-TCP/IP-Kommunikation miteinander verbunden. Die sichere Verbindung zwischen den Stationen wird mittels Black-Channel-Kommunikation realisiert, welche eine sichere Verbindung garantiert. Die Übertragungsstrecke kann dabei wahlweise mittels physischer Verdrahtung oder mittels Funksignal erfolgen.

Und wie war die Objekt-orientierte Programmierung in Lasal? «Ich hatte schon eine gewisse Erfahrung damit. Mit dem kurzfristig vereinbarten Crashkurs bei Sigmatek habe ich an nur einem Arbeitstag einen guten Einblick in diese Welt bekommen und konnte damit relativ einfach und schnell die Applikation umsetzen», sagt Samuel Kurmann. Überzeugt hat ihn das Werkzeug vor allem bezüglich seiner Übersichtlichkeit dank klarer Programmstruktur, die problemlose Inbetriebnahme der Krananlage sowie der Datenverarbeitung. Als sehr gut bezeichnet er rückblickend auch die Unterstützung von Sigmatek, die während der Umsetzungsphase technische Fragen zeitnah beantwortete.

Text von Markus Back, Fotos von Damian Byland und GIS, Steckbrief von GIS

Technische Daten / Steckbrief

  • Im Bericht geht es um 2 GIS Zweiträger-Untergurtlaufkrane, die seit Sommer 2023 in der Serviceanlage der SBB in Basel für Wartungen von FLIRT Personenzügen eingesetzt werden.
     
  • Die beiden Krane haben eine Tragfähigkeit von je 2'000 kg. Die Kranbahnlänge beträgt jeweils 128 m und die Spannweiten 4.75 m bzw. 8.42 m.
     
  • Sämtliche Bewegungen erfolgen durch stufenlose, frequenzgesteuerte Elektroantriebe mit Sanftanlauf. Das Hubwerk GPOD1000 ist ausserdem mit einer lastabhängigen Hubgeschwindigkeit ausgerüstet, welches Leerfahrten mit doppelter Geschwindigkeit ermöglicht. Dies ein wichtiger Vorteil bei grossen Hubhöhen. Für das Längsfahren sind die Kopfträger mit Motorfahrwerken GMFO2500 ausgestattet. Motorfahrwerke GMFO4000 sind verantwortlich für das Katzfahren.
     
  • Die GIS Krananlagen verfügen über eine Doppelträgerbrücke mit zwischengebautem Elektrokettenzug, des Typs GPOD1000. Diese Konstruktion nutzt die Hallenhöhe optimal aus, somit resultiert eine verfügbare Hubhöhe von 6.076 m bei 6.98 m Raumhöhe.
     
  • Auf beiden Seiten des Kranträgers sind Laserscanner montiert, die den Fahrbereich der Kranfahrbewegung permanent überwachen. Erkannte Objekte werden optisch signalisiert. Beim Annähern an ein Hindernis in der Fahrbahn verlangsamt der Kran automatisch seine Fahrgeschwindigkeit und führt in der Folge einen Nothalt durch. Das System erkennt unter anderem die Seile und Gurte von Höhensicherungsgeräten, mit welchen sich SBB-Techniker/innen bei Arbeiten auf dem Zugdach sichern.
     
  • Die Wartungs-Gleise sind mit einer fixen oder einer schwenkbaren Fahrleitungsanlage und partiell mit einer Dacharbeitsbühne ausgerüstet. Um Unfälle mit der Fahrstromanlage zu vermeiden, dürfen die Krananlage und die Dacharbeitsbühne nur im Wechselbetrieb mit der Fahrleitungsanlage betrieben werden. Für die Freigabe und Sperrung der jeweiligen Funktionen findet eine Kommunikation zwischen Kran- und Fahrleitungssteuerung statt.
     
  • Um die erforderlichen Sicherheitsabstände des Krans zur eingeschalteten Fahrleitung gewährleisten zu können, wurde eine sichere Grundstellung der Krananlage definiert. Nur wenn sich Kranbrücke und Katzfahrwerk in der vorgegebenen Parkposition befinden und der lastfreie Kranhaken in den Grundstellungskorb eingefahren ist, kann eine Freigabe an die  Fahrleitung erteilt werden.
     
  • Zur Überwachung der sicheren Grundstellung des Krans wird unter anderem ein in die Unterflasche integrierter RFID-Sicherheitsschalter eingesetzt.
     
  • Die beaufschlagte Last am Kranhaken wird durch einen Lastmessbolzen zwischen Jochkonstruktion und Elektrokettenzug ständig erfasst. In Verbindung mit den frequenzgesteuerten Elektrokettenzügen ermöglicht dies ein Heben und Senken mit lastabhängigen Hubgeschwindigkeiten. Die Geschwindigkeit bei Volllast liegt im Bereich von 0,6 - 3,5 m/min, während die Geschwindigkeit bei Leerfahrten erhöht werden kann (Bereich 0,6 - 6,8 m/min) um Zeit zu sparen.
     
  • Ein umfangreiches Erdungskonzept verbindet alle leitenden Krananlagenteile mit der spezifischen Bahnerde. Im Notfall können so hohe Ströme von Seite Fahrleitung abgeleitet werden.
     
  • Gesteuert werden die beiden Krananlagen mittels Funkfernsteuerung. Die ergonomischen Handsender besitzen Tasten für die Funktionen: Heben/Senken, Längsfahrt vor/zurück, Querfahrt links/rechts, Quittierung, Einfahren in Grundposition, Horn und Not-Stopp.
     
  • Dank langlebiger Stromzuführung, in Längsrichtung mittels Stromschiene und in Querrichtung via Energiekette, entfallen störende Schleppkabel.
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Produkte im Einsatz

In diesem Bericht geht es um folgende Produkte

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